Innovation LAB (4/10): Das Prototyping LAB
Von der Idee zum Prototypen, vom weißen Blatt Papier zum realistischen Business Case, von bloßen Hypothesen zu validierten Ausrufezeichen dank gelebter Kundenzentrierung – und das alles in nur drei Monaten. Das als „Innovation LAB“ bekannt gewordene Accelerator-Format gestaltet sich in der Weiterentwicklung als „Prototyping LAB“ flexibler, mit erhöhter strategischer Relevanz und deutlicherem Fokus auf Lösungsorientierung.
Ursprung des Innovation LAB
In Teil 4 unserer Serie zum „neuen“ Innovation LAB werfen wir einen Blick auf die Veränderungen im Prototyping LAB, das als ursprüngliche Ausgestaltung des Innovation LAB auch weiterhin dessen Herzstück bildet. Am 1. September 2016 eröffnete der damalige Vorstandsvorsitzende Wolfgang Kirsch das Innovation LAB als Accelerator mit dem Ziel, Fachbereichen und Unternehmen der DZ BANK Gruppe „Freiräume, Methoden und Kompetenzen [zu geben], um Ideen zu beschleunigen und schnell zu verproben.“ Das LAB ist daher damals mit dem Ansatz gestartet, zum einen eine Plattform für die bereichs- und unternehmensübergreifende Zusammenarbeit in der Gruppe zu schaffen, zum anderen durch die Bereitstellung von Methoden, Tools, Infrastruktur und insbesondere Entwicklerkapazitäten hemmenden Ressourcenengpässen entgegenzutreten, um dadurch die Innovationsfähigkeit zu stärken.
Werdegang
Seit Start des LAB im Herbst 2016 haben in neun abgeschlossenen Durchläufen 26 Teams mit über 60 Kolleginnen und Kollegen das LAB durchlaufen, mittels agiler Methodik Prototypen optimiert, Hypothesen mit realem Kundenfeedback validiert und das erworbene Wissen in die Bank getragen. Kontinuierlich wurde das LAB dabei als Plattform für die DZ BANK Gruppe etabliert und weiterentwickelt. Dafür spricht auch, dass über 75 % der im LAB bearbeiteten Themen bereits live am Markt bzw. im Unternehmen eingeführt sind oder sich in der Weiterentwicklung befinden. Die Faktoren, die zu einem solchen Erfolg beigetragen haben, haben wir bereits in einem früheren Beitrag im Blog dargestellt.
In den vergangenen drei Jahren wurden jährlich drei Durchgänge mit durchschnittlich jeweils drei Teams pro „Batch“ im Innovation LAB durchgeführt. Die Teams, die nach den agilen Prinzipien der Scrum-Methodik arbeiten, bestehen dabei aus Entwicklern sowie Product Ownern – jenen Fachexperten aus den Fachbereichen bzw. Gruppenunternehmen, die für die Dauer von 13 Wochen während eines Durchlaufs für die Arbeit im LAB zu 100 % freigestellt werden und hierdurch von Beginn an eine enge Verzahnung zu den Fachbereichen sicherstellen. Begleitet werden die Teams dabei von Innovation Coaches, die als Sparringspartner zur Seite stehen, sowie einem Scrum Master, der als Experte für die Anwendung der Scrum-Methodik den Teams zudem als Ansprechpartner und Moderator im LAB zur Verfügung steht.
Herausfordernde Aufgaben
Wir sprechen im LAB gerne von der 33-Prozent-Regel der Product-Owner-Rolle: Demnach muss der Product Owner sich während des Durchlaufs zu je einem Drittel der Machbarkeit, der Wünschbarkeit und der Rentabilität des LAB-Themas widmen. Im Hinblick auf die Machbarkeit des Prototypen steuert der Product Owner das Entwickler-Team, stellt fachliche Anforderungen und priorisiert sie. Im Sinne der Wünschbarkeit agiert der Product Owner als CEO und Marktforscher, der kritische Hypothesen überprüft, mit in- oder externen Kunden Wünsche validiert und zudem kontinuierlich die Stakeholder im Entwicklungsprozess involviert. Zu guter letzt wirkt der Product Owner mit Blick auf die Rentabilität als Controller und Projektleiter, berechnet einen validen Business Case und bereitet den Übergang aus dem LAB in die Projektorganisation zur Weiterführung des Themas vor.
Um die Product Owner in ihrer herausfordernden Arbeit im Innovation LAB bestmöglich zu unterstützen, haben wir über die Zeit hinweg ein umfassendes, begleitendes Programm an Workshops und Coaching-Formaten entwickelt. Dieses umfasst neben eher marketing-orientierten Workshops und Events, wie z. B. Open Door Events oder TrendSketching, auch zahlreiche Challenges, in denen die Product Owner hinsichlich der Validierung kritischer Hypothesen oder ihrer Pitch- und Story-Telling-Fähigkeiten auf die Probe gestellt und gefördert werden. Zudem ist die Verzahnung in die Organisation ein wesentlicher Bestandteil der Arbeit im Innovation LAB. Um den Weg für eine möglichst reibungslose Umsetzung zu ebnen, wird daher frühzeitig der Austausch mit den internen Experten, unter anderem aus Compliance, Datenschutz, Recht, IT-Sicherheit und dem Projektmanagement hergestellt.
Ablauf eines typischen Durchlaufs
Neben den Workshops, die stetig verfeinert und auf die Bedürfnisse der Teams angepasst wurden, haben wir ebenso die Vorgehensweise im LAB auf Basis des Feedbacks der Teams kontinuierlich angepasst. Der ursprüngliche Ablauf einer LAB-Phase sah im Vorfeld einen vorbereitenden, zweitägigen Workshop vor, in dem die Teams zum einen in einer Mini-Schulung die Grundprinzipien von Scrum erlernten und zum anderen ihre Idee beispielsweise mit Hilfe von Business Model und Value Proposition Canvases verfeinerten. Mittlerweile ist die Scrum-Schulung zum Product Owner wiederkehrender Bestandteil im offenen Schulungsprogramm der Bank und bietet Kolleginnen und Kollegen sowie den Product Ownern im LAB die Möglichkeit, sich vertieft mit Scrum auseinanderzusetzen und im Anschluss freiwillig eine Zertifizierung zu erlangen.
Um darüber hinaus der Bedeutung des zuvor in Kürze durchgeführten Vorbereitungsworkshop gerecht zu werden, haben wir den Ablauf der LAB-Phase grundlegend überarbeitet. Analog zum Sprint LAB wird die erste Woche des LAB genutzt, um Lösungsansätze zu verfeinern, zu visualisieren, erstes Nutzerfeedback zu generieren und Vorschläge zum weiteren Vorgehen zu erarbeiten. Im zweiten Schritt liegt der Fokus auf der Identifizierung und Validierung der kritischsten Hypothesen, den potenziellen Stolpersteinen, die über Wohl und Wehe des gesamten Vorhabens entscheiden. Hierzu ist es erforderlich, frühzeitig die Nutzerzentrierung zu gewährleisten sowie technische, rechtliche oder anderweitige Fragezeichen zu beseitigen. Nachdem jene Grundsteine gelegt sind, beginnt die eigentliche Entwicklung des Prototypen, die entsprechend der sogenannten Lean-Startup-Methodik konsequent an den Bedürfnissen des Kunden ausgerichtet ist. Zum Abschluss präsentieren die Product Owner die Ergebnisse der LAB-Phase (Prototyp, Business Case, Roadmap und Weiterführungsoptionen) dem Vorstand, der zuvor bereits die Themenauswahl für das LAB vorgenommen hatte.
Exkurs: Angewandte Startup-Methodik
Doch was verbirgt sich hinter der Lean-Startup-Methodik und was hat es mit Kundenzentrierung auf sich? Im Innovation LAB arbeiten die Teams methodisch auf Basis einer Kombination von Scrum und „Build – Measure – Learn“, jener Methodik, die vom Silicon-Valley-Entrepreneur Eric Ries bekannt gemacht wurde.
Die Lean-Startup-Methodik zielt darauf ab, in einem „Learning by doing“-Ansatz frühzeitig möglichst simple Produkte („Minimum Viable Product“ bzw. „MVP“) in extrem kurzen Zyklen zu entwickeln und frühzeitig Markttests durchzuführen, um messbares Kundenfeedback zu erhalten und auf dessen Basis die Idee kontiniuierlich weiterzuentwickeln. Der Kunde steht dabei immer im Mittelpunkt, seine Bedürfnisse haben höchste Priorität bei der Geschäftsmodellentwicklung.
Ein belammtes Beispiel für erfolgreich angewandte „Build – Measure – Learn“-Methodik ist Zappos, eines der ersten Online-Schuhgeschäfte. Ende der 90er Jahre erkannte Gründer Nick Swinmurn das Potenzial für den Verkauf von Schuhen im Internet, die bis dato allergrößtenteils „analog“ lokal vor Ort gekauft wurden. Anstelle seiner Vermutung jedoch blindlings zu folgen und hohe Investititonen zu tätigen – beispielsweise durch den Errichtung eines Lagers, Warenerwerb, Aufbau von Distributionskanälen, etc. –, begann er, auf simpelste Weise, seine Hypothesen zu testen: In lokalen Schuhgeschäften fotografierte er das Sortiment, erstellte eine simple Website samt Webshop für die Schuhe und bewarb das Angebot. Sobald ein Kunde eine Bestellung getätigt hatte, erwarb Swinmurn das Paar Schuhe im Geschäft und versandte es an den Kunden. So konnte er schnell und ohne hohen Ressourceneinsatz seine Hypothesen validieren und den tatsächlichen Bedarf des Kunden sowie dessen Bereitschaft, Schuhe online zu kaufen, beweisen. Anschließend wurde Zappos zu einem Giganten des Online-Schuhgeschäfts aufgebaut und in 2009 für kolpotierte 1,2 Mrd. USD an Amazon verkauft.
Obgleich im LAB ausschließlich Prototypen bzw. PoCs („Proof of Concept„) und keine fertigen, „produktionsreifen“ MVPs entwickelt werden, bedienen sich die Teams der Methodik, um frühzeitig wertvolles Kundenfeedback zu erhalten und iterativ ihre Ideen zu verfeinern. Die dabei entwickelten Prototypen reichen von Fragebögen, Interviews oder Papierskizzen bis hin zu Landing Pages mit Feature Fakes. Fokus der im LAB behandelten Themen sind jedoch nicht ausschließlich Produkt- und Geschäftsmodellinnovationen. Neben Apps und Plattformen wurden in den vergangenen Durchläufen verstärkt Prozesse analysiert, digitalisiert und automatisiert.
Weiterentwicklungsmaßnahmen
Ressourcenanforderung
Mit dem zehnten Durchlauf wurde das Innovation LAB, wie in den vergangenen Beiträgen der Serie bereits dargestellt, grundlegend weiterentwickelt und das ehemals als Innovation LAB bekannte Format zum „Prototyping LAB“ umbenannt. Neben den zuvor erwähnten kontinuierlich erfolgten Verbesserungen des Formats, wurde auch das Prototyping LAB im Rahmen der Weiterentwicklung angepasst und dabei vor allem im Hinblick auf das Feedback der Fachbereiche und Gruppenunternehmen hin flexibilisiert. Zuvor haben wir an Product Owner die Anforderung gestellt, während eines dreizehn-wöchigen Batches in Vollzeit im LAB zu arbeiten. Bereits frühzeitig haben wir diese Anforderung dahingehend angepasst, dass sich Teams die Rolle des Product Owner zu maximal drei Kolleginnen und Kollegen aufteilen können. Der dabei entstehende Koordinationsaufwand fällt jedoch weniger ins Gewicht, als die Reibungsverluste, die bei einem nur vordergründig zu 100 Prozent abgestellten Product Owner auftreten, der den Spagat aus Arbeit im LAB und gleichzeitiger Wahrung der Pflichten aus dem Tagesgeschäft meistern muss.
Zukünftig dauert ein Prototyping LAB nur noch 12 Wochen. Zudem muss ein Product Owner nur noch 60 Prozent vom Tagesgeschäft befreit werden, um die Rolle als Product Owner im LAB zu erfüllen. Hierbei handelt es sich um einen Kompromiss, da die Ergebnisse des LAB erfahrungsgemäß besser sind, je stärker ein Product Owner vom Tagesgeschäft befreit ist und je weniger Product Owner zugleich an einem Thema arbeiten. Für viele Fachbereiche und kleine Teams war die Hürde, eine Person für drei Monate freizustellen, auch vor dem Hintergrund diverser weiterer Projekte und Initiativen, zu groß. Diese Hürde wollten wir entsprechend verringern, da wir weiterhin davon überzeugt sind, dass die Freistellung des Product Owner die Verzahnung in den Fachbereich sichert, das notwendige Know-How zu Produkten, Prozessen, Kunden und Services in der Prototypenentwicklung garantiert und die spätere Umsetzung erleichtert.
Virtuelle Zusammenarbeit
Im Prototyping LAB soll die virtuelle Zusammenarbeit stärker gefördert werden, so dass auch Fachbereiche und Gruppenunternehmen an Standorten außerhalb der Rhein-Main-Region das LAB verstärkt in Anspruch nehmen können. So finden zukünftig Workshops, Coachings und Events nur noch Mittwochs statt, um die Anwesenheitspflicht für die Product Owner auf einen Tag in der Woche zu beschränken. Bereits im aktuellen Durchlauf arbeitet ein Team der R+V vornehmlich virtuell zusammen, was durch die Nutzung verschiedener Collaboration-Tools im LAB ermöglicht wird.
Themenherkunft
Ehemals lag der Fokus bei den Bewerbungen der Fachbereiche und Gruppenunternhmen für das Innovation LAB auf ausreichend konkretisierten Ideen und Lösungsideen, die im LAB validiert und entwickelt wurden. Zukünftig können alternativ auch Problemstellungen als Ausgangsfragestellung in das Prototyping LAB eingebracht werden. Im LAB werden während der ersten Woche, dem Design Sprint, zunächst ein fundiertes Verständnis des Problems und anschließend erste Lösungsansätze entwickelt.
Welche Bewerbungen für den zehnten Durchlauf des Innovation LAB erfolgreich waren und welche Themen sich derzeit in Verprobung, Entwicklung oder Diskussion befinden, zeigt der kommende Beitrag.
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