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Allgemein | Payment | Trends & Technologie | 29. August 2022

Digitaler Euro – Firmenkunden und das „Internet of Payments“

Der Wandel der Finanzindustrie zeigt sich in wenigen Bereichen so deutlich wie im Zahlungsverkehr. So haben in den vergangenen Jahren sowohl privatwirtschaftliche Initiativen, wie z. B. die Diem Association, als auch einige Zentralbanken, u. a. die schwedische Riksbank und die Peoples Bank of China, an der Konzeption und Pilotierung von digitalem Geld gearbeitet. Infolgedessen hat die Europäische Zentralbank (EZB) im vergangenen Jahr eine zweijährige Evaluationsphase zur Entwicklung eines digitalen Euro[1] angekündigt. Nach Aussagen des EZB-Direktoriumsmitglieds Fabio Panetta könnte bereits 2023 mit der Entwicklung eines ersten Prototypen begonnen werden.[2]

Eine maßgebliche Rolle für die Akzeptanz und damit für den Erfolg eines digitalen Euro spielen dabei die Bedarfe kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) sowie kapitalmarktorientierter Unternehmen aus Deutschland als weitere wesentliche Nutzergruppen im Rahmen der Industrie 4.0, des Internet of Things (IoT) sowie der Machine Economy. Abgeleitet aus 56 leitfadengestützten Tiefeninterviews ergeben sich für den zukünftigen Zahlungsverkehr die nachfolgenden Handlungsimplikationen für Politik, Zentralbanken und die Kreditwirtschaft zur Förderung der Transformation der europäischen Wirtschaft.

1. Es besteht Bedarf an einem „Internet of Payments“. Um zukünftig Zahlungen effizient abwickeln sowie neue, digitale Geschäftsmodelle bei einer wachsenden Anzahl an IoT-Geräten und intelligenten Maschinen (bspw. durch eine erhöhte Informationsfunktion) realisieren zu können, benötigen Unternehmen zur erweiterten Automatisierung ihres Zahlungsverkehrs oder der Umsetzung eines gleichzeitigen Werteaustausches („Delivery vs. Payment“) ein neues Zahlungsmittelökosystem „Internet of Payments“ (siehe Abb. 1)

Abb. 1: Relative Bewertungshäufigkeiten der firmenkundenspezifischen Bedarfe.
Quelle: Minz/Möller/Paul (2022), S. 12.

2. Für ein „Internet of Payments“ werden digitale Identitäten benötigt. Damit autonome und hochautomatisierte Zahlungen zwischen Maschinen möglich sind, braucht es digitale Identitäten zur rechtssicheren Authentifikation der Maschinen.

3. Dem „Internet of Payments“ müssen Standards zu Grunde liegen. Damit eine solche Lösung eine hohe Integrierbarkeit und Marktakzeptanz, insbesondere zur Automatisierung oder im Auslandszahlungsverkehr (siehe Abb. 2), erreicht, ist im Zuge der europäischen und internationalen Zusammenarbeit (ähnlich wie bei SEPA oder EBICS) die Vereinbarung gemeinsamer Standards im Vorfeld notwendig.

Abb. 2: Von KMU und ihren Bankberatern genannte Verbesserungspotenziale.
Quelle: Minz/Möller/Paul (2022), S. 8.

4. Die Vielfalt der Unternehmensbedarfe zeigt, es wird keine „One-Fits-All“-Lösung eines digitalen Euro geben. Daher sollten Unternehmen von Anfang an aktiv in die Entwicklung eines digitalen Euro mit eingebunden werden. Da Unternehmen zudem essenziell zur Förderung der allgemeinen Marktakzeptanz beitragen und über spezifische und komplexe Bedarfe verfügen, kann ein digitaler Euro für Unternehmen als Katalysator für einen digitalen Euro für Privatnutzer dienen.

5. Große und kapitalmarktorientierte Unternehmen müssen aufgrund ihrer Ressourcen eine Vorreiterrolle einnehmen. In Proof of Concepts (PoCs) und Leuchtturmprojekten können sie die Mehrwerte eines digitalen Euro für die gesamte Wirtschaft und insbesondere KMU demonstrieren.

6. IT-Sicherheit, Marktakzeptanz und Interoperabilität sind Grundvoraussetzungen. Zur Gewährleistung der Kompatibilität unterschiedlicher Lösungen muss bei der Entwicklung eines digitalen Euro die Interoperabilität und Fungibilität stets sichergestellt werden (siehe Abb. 3).

Abb. 3: Relative Bewertungshäufigkeiten der Basis-Bedarfe.
Quelle: Minz/Möller/Paul (2022), S. 10.

7. EZB als Koordinator und Banken als Dienstleister im Front-End gefragt. 78% der befragten Unternehmensvertreterinnen und -vertreter wünschen sich zur Sicherstellung der Kompatibilität der angestrebten Lösung die Ausgabe eines digitalen Euro durch die EZB. Gleichzeitig sprechen sie sich für den Erhalt der „Zwei-Ebenen-Finanzmarktstruktur“ und für die Innovationskraft des privaten Sektors bei Übergangslösungen aus.

8. Die Belebung des Zahlungsverkehrsthemas durch den digitalen Euro bietet Beratungschancen für Banken. Die Einschätzung der Zahlungsverkehrsbedarfe von Unternehmensvertreterinnen und -vertreter sowie deren Beraterinnen und Beratern wiesen teils erhebliche Differenzen auf (siehe Abb. 2). Für eine fundierte Beratung „auf Augenhöhe“ müssen die Bankberaterinnen und -berater daher dringend weitergebildet werden, um die mit der Beratung verbundenen Chancen nutzen zu können – zum Beispiel in der intensiven Diskussion über das Geschäftsmodell des Kunden.

9. Die Unternehmen wünschen sich eine zügige, aber technisch ausgefeilte Lösung. 43% der befragten Unternehmensvertreter präferieren eine möglichst zeitnahe Einführung eines digitalen Euro, innerhalb der nächsten zwei Jahre. Weitere 43% bevorzugen einen digitalen Euro erst nach sorgfältiger technischer Prüfung in drei bis fünf Jahren.

10. Um den Anschluss zu anderen Währungsräumen, insbesondere im Auslandszahlungsverkehr, nicht zu verpassen, ist auch in Europa eine geeignete Infrastruktur („Internet of Payments“) zum proaktiven Austesten und Entwickeln neuer, digitaler Zahlungslösungen von Bedeutung. Dabei ist insbesondere Technologieneutralität essenziell, um vorab keine bestimmte Form eines digitalen Euro zu determinieren und die Innovationskraft privater Akteure sowie eine spätere Marktakzeptanz negativ zu beeinflussen.

[1] Die Emission eines digitalen Euro durch die Europäische Zentralbank (EZB) wird auch als Ausgabe einer digitalen Zentralbankwährung (engl. Central Bank Digital Currency, CBDC) bezeichnet. Für einen ausführlichen Überblick verschiedener Ausgestaltungsformen siehe Minz/Möller/Paul (2022), S. 4–6.

[2] Quelle: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19.11.2021, Nr. 270, S. 23.

Autoren

Maximilian M. Minz | Stephan Paul*
Lehrstuhl für Finanzierung und Kreditwirtschaft, Ruhr-Universität Bochum

Die ausführlichen Untersuchungsergebnisse sowie ausgewählte Anwendungsfälle eines digitalen Euro finden Sie in dem nachfolgenden Artikel:

Minz, Maximilian M./Möller, Rouven/Paul, Stephan (2022): Digitaler Euro – der Weg für Unternehmen in das „Internet of Payments“?, in: Schmalenbach IMPULSE, 2(1), S. 1–24., DOI: 10.54585/LHRM7997.

Den vollständigen Artikel können Sie unter diesem Link (https://doi.org/10.54585/LHRM7997) oder durch das Einscannen des QR-Codes abrufen.  

Folgende Koautoren haben an dem Beitrag mitgewirkt:

Rouven Möller (Investor Relations Manager bei Evonik und ehemaliger Doktorand am Lehrstuhl für Finanzierung und Kreditwirtschaft, Ruhr-Universität Bochum).

Zusätzliche Informationen:

Teaser:

Ein digitaler Euro wird für neue Geschäftsmodelle in der Industrie 4.0 benötigt. Die Diskussion darf nicht auf private Konsumenten beschränkt werden. Aufschluss über die Bedarfe deutscher Firmenkunden und damit verbundener Beratungschancen für Banken gibt eine Studie.

Kurze Inhaltsbeschreibung:

Digitaler Euro – Erste Studie zu Bedarfen deutscher Firmenkunden an neues Zahlungsmittelökosystem – „Internet of Payments“ in Industrie 4.0.

Keywords:

Digitaler Euro, Internet of Payments, Industrie 4.0, Zahlungsverkehr

Autorenprofiele:

Maximilian M. Minz

Maximilian M. Minz ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand am Lehrstuhl für Finanzierung und Kreditwirtschaft an der Ruhr-Universität Bochum. In der Forschung widmet er sich Innovationen und Disruptionen im Banken- und Finanzsektor, ausgelöst durch die Digitalisierung. Beispielsweise beschäftigt er sich mit digitalem, programmierbarem Geld in zukünftigen Zahlungsmittelökosystemen („Internet of Payments“).

Prof. Dr. Stephan Paul 

Prof. Dr. Stephan Paul ist Inhaber des Lehrstuhls für Finanzierung und Kreditwirtschaft an der Ruhr-Universität Bochum und Leiter des dort ansässigen Instituts für Kredit- und Finanzwirtschaft (ikf). Er ist Mitglied verschiedener wissenschaftlicher Herausgeberkreise und Beiräte. In der Forschung widmet er sich der staatlichen Regulierung, dem Risikomanagement, der Absatzpolitik von Kreditinstituten sowie der Mittelstandsfinanzierung.

* Korrespondenzanschrift: Maximilian M. Minz, Ruhr-Universität Bochum, Universitätsstraße 150, 44780 Bochum, Tel. +49(0)234-32-23427, E-Mail: minz@ikf.ruhr-uni-bochum.de.

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