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Payment | Trends & Technologie | 30. Oktober 2019

Libra-Reihe (4 von 4): Angemessene Reaktion der Politik gesucht

Seit einiger Zeit beschäftigen sich die Kollegen aus dem DZ BANK Research intensiv mit Kryptowährungen. Im vierten Teil der vierteiligen Serie zur Publikation „Libra: Großangriff auf die Zentralbanken dieser Welt?“ von unserem Analysten Sören Hettler wird eine angemessene Reaktion der Politik gesucht.

Nun ist es für Libra und die Beteiligten bis dahin zwar sicherlich noch ein sehr weiter Weg mit vielen Ungewissheiten, und ein Erfolg des Projekts ist alles andere als sicher. Die vorangegangenen Überlegungen zeigen jedoch, dass die Befürchtungen aus den Reihen von Politik, Aufsehern und Zentralbanken zumindest nicht völlig unberechtigt sind. Bleibt die Frage der angemessenen Reaktion vonseiten dieser staatlichen Instanzen. Zwei grundlegende Aspekte dürften in diesem Zusammenhang von zentraler Bedeutung sein. Zum einen ist zu berücksichtigen, welche Finanzdienstleistungen durch Libra tatsächlich ermöglicht und angeboten werden, getreu dem Motto: Gleiche Geschäftsfelder, gleiche Risiken, gleiche Regeln. Zum anderen gilt es aufgrund der unterschiedlichen Auswirkungen, die Perspektive verschiedener Ländergruppen einzunehmen – selbst wenn es das Ziel sein muss, einer Kryptowährung, die den Anspruch auf eine globale Einheitswährung erhebt, auch mit einem weltweiten Regulierungsansatz zu begegnen.

Grundlegende Regulierung

Eine oftmals geäußerte Sorge aufseiten führender Politiker ist die Befürchtung, dass Libra kriminellen Machenschaften, insbesondere Terrorismusfinanzierung und Geldwäsche, Tür und Tor öffnet. Dabei ist die Libra-Association offensichtlich bemüht, den Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen. So ist für alle Libra-Nutzer eine Pflicht zur Identifikation mit amtlichem Ausweisdokument („Know-Your-Customer-Prinzip“) vorgesehen. Alle getätigten Transaktionen würden sich demnach den beteiligten Personen zuordnen lassen.

Aus dieser Zuordnung ergeben sich Herausforderungen. Schließlich läuten bei Datenschützern nach den Skandalen der vergangenen Jahre beim Namen Facebook die Alarmglocken. Zu oft hat sich gezeigt, dass der Konzern nicht willens oder in der Lage war, die Daten seiner Nutzer gegen unbefugte Zugriffe abzusichern. Kommen nun Konto- und Zahlungsdaten hinzu, macht das die Sache sicherlich nicht weniger brisant. Darüber hinaus wird vielerorts vermutet, dass die Unternehmen hinter Libra auf die Nutzerdaten zugreifen werden, um eigene Geschäftsinteressen voranzutreiben. Zwar wurde versprochen, dass die Libra-Daten von Informationen aus anderen Facebook-Anwendungen strikt getrennt werden. Vielen Beobachtern dürfte in diesem Zusammenhang jedoch ein bekannter Vers aus Goethes Faust einfallen: „Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube“. Schließlich gibt es derzeit keine Garantie, dass sich der Konzern langfristig an seine Zusage hält.

Außerdem gilt: Gleiche Risiken, gleiche Regeln

Vor dem Hintergrund einer Anfrage der in Genf ansässigen Libra-Association hat sich jüngst die Schweizer Finanzaufsicht (FINMA) zu Wort gemeldet und eine „erste Indikation“ für die aufsichtsrechtliche Einschätzung des Libra-Projekts gegeben. Dabei stellte die FINMA klar, dass Libra zwar durchaus Elemente eines Zahlungs-systems aufweise. Die Aufseher ließen aber bereits durchklingen, dass der Umfang des Projekts in ihren Augen deutlich darüber hinausgeht und mit Blick auf eine angemessene Regulierung weitere Anforderung zu erfüllen sind. Als Gründe werden in diesem Zusammenhang „die Schöpfung eines digitalen Tokens und das Management eines Reservefonds mit verschiedenen Währungen oder Anleihen“ genannt. Die FINMA betont darüber hinaus, dass „bankähnliche Risiken auch bankähnlichen Regulierungsanforderungen unterliegen“.

Gemäß dem von Libra ausgegebenen Ziel, ein eigenes Ökosystem für Finanz-dienstleistungen für Milliarden von Menschen zu schaffen, dürfte das Projekt Schwierigkeiten haben, den Aufsehern zu vermitteln, dass die Risiken einem einfachen Zahlungssystem entsprechen und nicht mit denen von Banken oder gar systemrelevanten Marktteilnehmern zu vergleichen sind. Folglich ist davon auszugehen, dass die Regulierungsbehörden beispielsweise die Anwendung der vor-herrschenden Vorschriften für Eigenkapital- und Liquiditätsanforderungen sowie das Risikomanagement in Betracht ziehen werden.

Staatliche Einflussmöglichkeiten zur Eindämmung der Nutzung von Libra

Äußerungen verschiedener Politiker, darunter auch der deutsche Finanzminister Scholz, wurden dahingehend interpretiert, dass Libra gänzlich verboten werden könnte. Gerade für Staaten mit instabilen oder nicht in der Libra-Reserve vertretenen Währungen dürfte diese Option vor dem Hintergrund der potenziellen Auswirkungen der Kryptowährung auf das eigene gesetzliche Zahlungsmittel einen gewissen Charme versprühen. Dabei existieren andere, weniger drastische Möglichkeiten, die Attraktivität Libras in den Augen der Nutzer einzudämmen.

Eine vergleichsweise einfache Idee ist es, die Verwendung der eigenen Währung für staatliche Leistungen oder Steuerzahlungen verpflichtend zu machen. Zudem könnte festgeschrieben werden, dass für private Geschäfte das gesetzliche Zahlungsmittel genutzt werden muss. Sollten sich die Bürger an diese Vorgabe halten, würde dies den Anwendungsbereich der Kryptowährung spürbar einschränken.

Um einen deutlich komplexeren Ansatz handelt es sich bei dem Vorschlag, eigene, von Zentralbanken emittierte Digital- oder Kryptowährungen als Konkurrenz zu Libra zu etablieren. Ziel wäre es, die Vorteile eines (stabilen) gesetzlichen Zahlungsmittels mit denjenigen von Libra, Bitcoin & Co. – vor allem schnelle, direkte, kostengünstige, sichere Transaktionen – zu kombinieren. Entsprechende Projekte für Central Bank Digital Currencies (CBDCs) u.a. auf Blockchain-Basis gibt es bereits seit einigen Jahren, beispielsweise in Schweden, Großbritannien, Kanada und China. Im Euroraum wurde nicht nur aus dem Bundestag die Forderung nach einem E-Euro laut. Vielmehr hat sich niemand Geringeres als die künftige Präsidentin der Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde, in einer Rede Ende 2018, damals noch in der Rolle der IWF-Chefin, für die Einführung von digitalem Zentralbankgeld stark gemacht. Im Rahmen des Zentralbanksymposiums in Jackson Hole ging der Vorsitzende der Bank of England, Mark Carney, sogar noch einen Schritt weiter und forderte eine digitale, von Notenbanken emittierte Einheitswährung auf globaler Ebene. Bislang mögen wesentliche Gründe für derartige Überlegungen sein, dass Bargeld verglichen mit elektronischen Zahlungsmitteln seit Jahren an Bedeutung verliert oder die weltweite Vormachtstellung des US-Dollar Nebenwirkungen mit fatalen Folgen gerade für kleinere Länder hat. Libra könnte jedoch den Anreiz für die Währungshüter, die CBDC-Projekte voranzutreiben, entscheidend verstärken.

Fazit

Viele Details des Libra-Projekts stehen noch aus. Dennoch vertreten nicht wenige Beobachter die Ansicht, dass die Kryptowährung zum Scheitern verurteilt sein muss. Die Begründung lautet simpel: eine globale, private Krypto-Einheitswährung wird nicht gebraucht. Schließlich gäbe es bereits andere effiziente (private und gesetzliche) Zahlungsmittel und -methoden. Dies mag zwar nicht gänzlich von der Hand zu weisen sein, allerdings liefert der Aspekt des „Brauchens“ nicht zwingend eine Antwort darauf, ob ein Produkt oder eine Dienstleistung weltweite Verbreitung findet. Schließlich lässt sich auch vortrefflich darüber streiten, ob ein Smartphone unbedingt gebraucht wird, lassen sich doch dieselben Aktionen mittels Mobiltelefon und Computer durchführen.

Entscheidend mit Blick auf die Akzeptanz bei den Nutzern dürfte vielmehr sein, ob und inwieweit Libra einen Mehrwert gegenüber traditionellen Währungen darstellt. Über (globale) Netzwerkeffekte vor dem Hintergrund der 2,7 Mrd. Kunden des Facebook-Konzerns und eine einfache Handhabung über gewohnte Anwendungen (Facebook-Account, WhatsApp, Instagram) könnte dies durchaus der Fall sein. Dies gilt insbesondere, wenn die beteiligten, zum Teil global agierenden Unternehmen hinter der Kryptowährung ihrer Kundschaft zusätzliche Anreize bieten. Grundlegende Voraussetzung ist es hierbei, Vertrauen in Libra bei den Bürgern zu generieren.

Politik, Aufseher und Zentralbanken versuchen derzeit, die richtige Antwort auf Libra zu formulieren. Dabei wird auch immer wieder ein Verbot ins Spiel gebracht. Im Gegensatz zur Kryptowährung Bitcoin dürfte es zwar durchaus möglich sein, den Zugang zum Libra-Netzwerk national zu blockieren. Zielführend erscheint jedoch eher eine angemessene Regulierung auf globaler Ebene. Ergänzt werden könnte dieser Ansatz durch eine oder mehrere digitale Zentralbankwährungen beispielsweise auf Blockchain-Basis, die Vorteile eines gesetzlichen Zahlungsmittels mit denjenigen von Kryptowährungen kombinieren. Schließlich ist Libra ein Ausdruck von Innovationen in der Finanzbranche, die sich auch durch nationale Verbote langfristig nicht aufhalten lassen werden.

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