WeChat mit Bezahlsystem auf weltweitem Expansionskurs
Wenn wir über neue Player am Markt für Finanzdienstleistungen reden, dann schauen die meisten auf Firmen der Finanztechnologie (Fintech) in Europa und den USA. Während aber hierzulande nahezu alle Fintechs noch darum kämpfen, eine relevante Größe zu erreichen, haben chinesische Unternehmen wie Ant Financial oder Tencent (WeChat) dies längst erreicht.
In einer Artikelserie über WeChat habe ich die starke Position dieses Angebots im chinesischen Bezahlmarkt, seine unterschiedlichen Funktionen und das Ökosystem, beschrieben. Neben den weiteren Vorzügen von WeChat gab es außerdem einen Ausblick auf die weitere Entwicklung. Tencent beschleunigt derzeit die Weiterentwicklung der Multifunktions-App und geht weltweit auf Expansionskurs.
Expansion nach Europa und Nordamerika
Obwohl nach wie vor der größte Anteil der WeChat-Nutzer auf China entfällt, nimmt die Verbreitung des Programms mittlerweile in Ost- bzw. Südostasien sowie neuerdings in Afrika stark zu. Mittlerweile rücken zudem die entwickelten Märkte in den Fokus. Anders als in den Entwicklungs- und Schwellenländern in Asien oder Afrika trifft WeChat in Nordamerika und Europa auf eine von vielen Insellösungen geprägte Landschaft etablierter Anbieter und eine tradierte Bezahlkultur, die die Einführung von Mobile Payment erschwert. WeChat hat aufgrund seiner Herkunft außerdem mit Vorbehalten westlicher Konsumenten hinsichtlich des Datenschutzes zu kämpfen.
Um in den etablierten Märkten Fuß zu fassen konzentriert sich WeChat daher derzeit darauf, seine Funktionen für chinesische Touristen anzubieten, wobei die Umsetzung stets in Kooperation mit lokalen Partnern erfolgt – etwa in Deutschland mit dem Finanzdienstleister Wirecard. Dies beschränkt sich jedoch nicht nur auf die Bezahllösungen. Auch die Funktionalitäten hinsichtlich E-Commerce werden angeboten. Auf diesem Weg kann WeChat kurzfristig in die umkämpften Märkte einsteigen und könnte über die steigende Bekanntheit sowie die Vernetzung später eine Ausdehnung über chinesische Touristen hinaus vorbereiten. Zusätzlich setzt Tencent auch auf Akquisitionen, wie die Übernahme von Supercell, mit der die globale Aufstellung des wichtigsten Ertragsbringers des Konzerns, der Onlinespiele, unterstützt werden soll.
Steigende Nutzerzahlen und zusätzlicher Fokus B2B
In 2017 steigen die Nutzerzahlen von WeChat weiter rasant. Mittlerweile werden 938 Millionen monatliche aktive Nutzer gezählt, ein Anstieg von über 130 Millionen seit Mitte 2016. Adressierten viele WeChat-Funktionen bisher das Business-to-Customer (B2C=Geschäft zwischen Unternehmen und Endkunden), rückt nun das Business-to-Business (B2B)-Geschäft in der Vordergrund. Unternehmen nutzen WeChat etwa für die Interaktion mit Kunden und Lieferanten oder für die Außendarstellung, etwa zum Zwecke der Personalgewinnung. WeChat hat sich für unterschiedliche Bedürfnisse von Unternehmen geöffnet, indem verschiedene Arten von Accounts eingeführt wurden, die sich vom klassischen „Vollaccount“ unterscheiden. Auch dank dieses verbreiterten Angebots hat WeChat im B2B-Bereich einen ähnlichen Status erreicht wie bereits im Bereich B2C und gilt vielen Unternehmen in China mittlerweile als unverzichtbar.
Ausbau des Ökosystems
Mit seinem E-Commerce-Angebot sowie den City-Services hat WeChat bereits ein sehr umfangreiches Angebot von Leistungen über seine eigene technische Plattform verwirklicht. In der Regel werden diese Funktionen über Schnittstellen (APIs) abgewickelt. Es existieren jedoch Funktionen, für welche der Weg über eine API nicht geeignet ist. Um diese ebenfalls anbieten zu können, hat WeChat sogenannte Miniapps eingeführt. Eine Miniapp ist eine App, die innerhalb der App von WeChat läuft. Im Gegensatz zu normalen Apps ist sie in Größe und Funktionsumfang beschränkt und kann ausschließlich nur über die App von WeChat geladen und genutzt werden. Diese neue Facette des WeChat Ökosystems wächst derzeit sehr stark, es wurden bereits mehrere hundert Miniapps programmiert. Mit den Miniapps wird ein klassischer App Store praktisch überflüssig und die Bindung an das WeChat Ökosystem wächst. Der in den in den vorherigen Artikeln beschriebene Weg von WeChat zu einem de-facto-Betriebssystem wird weiter fortsetzt.
Unternehmens- und Markenwert spielen in der Königsklasse der Fintechs
Das profitable Wachstum von Tencent spiegelt sich auch im Unternehmenswert wider, welcher derzeit (Juli 2017) bei 351 Milliarden US-Dollar liegt. Damit wird das 2008 gegründete Tencent mehr als dreimal so hoch bewertet wie etwa der Siemens-Konzern (100 Milliarden US-Dollar).
Der Wert der Marke „Tencent“ wird auf etwa 108 Milliarden US-Dollar beziffert. Damit rangiert Tencent auf Platz 8 der wertvollsten Marken der Welt, als einziges Unternehmen, das nicht aus den USA kommt; und liegt bereits vor bekannten globalen Marken wie IBM oder McDonalds. Die Erlöse von Tencent stammen mehrheitlich aus dem Geschäft mit Online-Spielen, gleichzeitig ist das Unternehmen auch eines der markenstärksten Fintechs weltweit.
Die auf globaler Ebene wohl bedeutendste Konkurrenzmarke im Bereich Messenger / soziale Netzwerke – „Facebook“ – ist mit 130 Milliarden US-Dollar bewertet. Obwohl Tencent außerhalb seiner Heimatmärkte und insbesondere in den wohlhabenden Regionen Europas und Nordamerikas praktisch unbekannt ist, hat es Facebook beinahe eingeholt. Dieses enorme Wertpotenzial – sichtbar auch in der hohen Profitabilität sowie der komfortablen Kapitalbasis – macht eine Fortsetzung der Expansion höchst wahrscheinlich.
Auf längere Sicht gibt es also kaum Zweifel am globalen Expansionswillen von WeChat, der durch ein in Asien funktionierendes Geschäftsmodell und große Finanzkraft unterstützt wird. Und der sich nicht nur auf chinesische Touristen fokussieren wird.
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