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Foto: Corinna Sander

Vor der Kurve bleiben

Von Dr. Thorsten Neumann, Leiter Quant & Risk Management bei der Union Investment.

Trump twittert und an der Wall Street wackeln die Wände. Ford, General Motors oder Boeing haben schmerzhaft erfahren, was es heißt, wenn der neue Bewohner des Weißen Hauses in 140 Zeichen ihren Aktienkurs aufs Korn nimmt. Dieses Phänomen der ersten Trump-Wochen hat sich eine pfiffige Tech-Firma zunutze gemacht: Mit „Trump & Dump“ hat T3 ein Programm entwickelt, das Kurzbotschaften automatisch liest, auswertet und eine Kaufs- bzw. Verkaufsempfehlung ableitet. Sekundenschnell.

Früher Bescheid wissen mit Smart Data

Die Anekdote zeigt, welche digitalen Möglichkeiten aufkeimen. Es stehen immer mehr Daten zur Verfügung, die mit größerer Rechenpower und neuen Methoden verarbeitet werden können. Das schafft ganz neue Einblicke, wie die (Börsen-)Welt gerade tickt. Wenn eine Zeitreihe von Satellitenbildern etwa zeigt, dass im aktuellen Quartal mehr Autos auf dem Parkplatz eines schwedischen Möbelhauses geparkt waren als im Vorjahresquartal, spricht das für steigenden Umsatz. Smart Data wird dieses Feld genannt, das durch die Einbeziehung neuer Daten und innovativer Methoden zusätzliche Einblicke für das Research bietet. Der Clou: Smart Data-Signale können auf eine Entwicklung hinweisen, noch bevor klassische Frühindikatoren anspringen. Wer diese Ansätze sinnvoll in seine Investmentprozesse integriert, erarbeitet sich einen Vorteil gegenüber der Konkurrenz.

Auf der ersten Stufe besteht die Herausforderung für Asset Manager vor allem darin, aus der Fülle von verfügbaren Informationen diejenigen herauszufiltern, die auch tatsächlich eine Investmentrelevanz aufweisen. Das ist deutlich schwieriger, als es sich vielleicht anhört. Man kann heutzutage aus fast allen Lebensbereichen Daten erwerben und daraus Muster extrahieren. Aber die entscheidende Frage lautet, ob sich auch belastbare Aussagen für Wertpapierkurse ableiten lassen. Bevor man also die sprichwörtliche Nadel im Heuhaufen sucht, muss man sich zunächst einmal für einen Heuhaufen entscheiden.

Die Welt durch Textmining verdichtet wahrnehmen

Bei Union Investment beschäftigen wir uns seit geraumer Zeit mit dieser Fragestellung. Interessant ist unter anderem das sogenannte „Textmining“: Algorithmen analysieren Texte, etwa die besagten Trump-Tweets oder aber Nachrichten. Die selbstlernenden Systeme – Stichwort: Künstliche Intelligenz – bewerten Texte anhand von Wörtern und ihrem Zusammenspiel dahingehend, ob sie eine positive oder negative Meinung zu einer Aktie enthalten. Man scannt Millionen Tweets oder Facebook-Posts und schätzt so die Stimmungen der Marktteilnehmer ein, etwa gegenüber einem Unternehmen oder seinen Produkten. Man kann das Verfahren auch für Länderanalysen nutzen. Dabei wird ausgewertet, wie oft Länder im Zusammenhang mit negativ besetzten Wörtern wie „Protest“ oder „Krise“ in den sozialen Medien oder auf Nachrichtenseiten auftauchen. So erhält man systematisch eine Einschätzung des Investitionsumfelds. Es handelt es sich also bei Smart Data um eine Vertiefung unserer etablierten, fundamentalen Methoden der Finanzanalyse.

Im Flow: Kapitalströme antizipieren

Da hört Digitalisierung im Fondsmanagement aber nicht auf. Ein weiteres Beispiel für den Einsatz von neuen, datengestützten Methoden ist die Prognose künftiger Kapitalströme durch die sog. „Flow Analyse“. Die Ratio dahinter: Marktentwicklungen werden zunehmend durch das Verhalten der Marktteilnehmer bestimmt. Die Flow Analyse setzt hier an. Es geht darum, Preisbewegungen zu prognostizieren, die mit der traditionellen fundamentalen Analyse nicht zu erklären sind. Bei Union Investment haben wir seit Januar 2016 eine solche Analyse im Einsatz.

Im Wesentlichen fußt diese auf drei Säulen: Eine ist die Stimmung der Marktteilnehmer. Hierbei werden sowohl Stimmungsumfragen unter institutionellen und privaten Investoren einbezogen, als auch eine regelmäßige Umfrage der Kapitalmarktmeinung unter unseren Portfoliomanagern durchgeführt. Darüber hinaus analysieren wir, wie unterschiedliche Anlegergruppen positioniert sind. Aus diesem Zusammenspiel von Positionierung und Stimmung leiten wir zu erwartende Mittelflüsse ab. Und der dritte Bereich ist das Agieren von systematischen Investoren. Wenn beispielsweise die Volatilität am Aktienmarkt steigt, kann man mehr oder weniger ausrechnen, welcher Druck auf den Aktienmarkt entsteht, weil risikoparitätische und volatilitätsgesteuerte Strategien ihre Aktienquote verringern müssen. Gleiches gilt auch für Marktteilnehmer, die Garantien erwirtschaften müssen und deshalb bei Verlusten mit Verkaufsorders an den Markt gehen. Diese Ergebnisse der Analyse stehen allen Portfoliomanagern im Haus zur Verfügung. Außerdem fließen sie auch in die übergeordnete Kapitalmarktstrategie mit ein, die das Union Investment Committee festlegt.

Das Ziel: Vorausschauend agieren

Hinter diesen neuen Ansätzen steht ein altes Ziel: bessere Anlageentscheidungen für unsere Kunden treffen. Innovative Methoden helfen dabei, indem sie den bewährten Instrumentenkasten einerseits erweitern, andererseits aber auch bislang unbekannte Wege aufzeigen. Das ist wichtig, denn die Kapitalmärkte sind komplexer, schneller und anfälliger geworden: Wer heute erfolgreich investieren will, muss vorausschauend agieren und die Digitalisierung sinnvoll nutzen. „Trump & Dump“ alleine ist dabei aber keine langfristig erfolgreiche Strategie, um Vermögen zu vermehren. So notieren alle vom US-Präsidenten „angetwitterten“ Aktien heute höher als zum Zeitpunkt des jeweiligen Tweets. Wer aber die neuen Möglichkeiten gekonnt einsetzt, um einen 360-Grad-Blick auf die Kapitalmärkte zu erlangen, der bleibt vor der Kurve.

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